Dienstag, 7. Oktober 2003
Gedanken zur digitalen Photografie
Ich habe irgendwie das Gefühl, das sich die Gesellschaft durch digitale Photografie verändern wird. Nur so ein Gefühl, eher diffus, schwer in Worte zu fassen. Merke wie sich die Welt verändert, wenn man auf der Suche nach Motiven ist. Merke wie ich immer mehr Photografen wahrnehme. Ständig überall. Es gibt ihn nicht mehr den unbeobachteten Moment. Ich lasse ihn auch nicht mehr zu. Habe meine Kamera ständig schussbereit. Die Angst "Das Bild" zu verpassen verfolgt mich.
Und dann sitze ich also auf der Suche nach "dem Bild" im Bus. Kamera schussbereit. Will Einsteigende photografieren. Kamera im Anschlag, traue mich nicht. Da kommt ein 13jähriger zum Ausgang. Bus wird gleich halten. Diesmal traust du dich! Ich sitze direkt am Ein und Ausgang, will aus dem Handgelenk photografieren. Digital. Was nicht gelingt wird gelöscht. Der 13jährige kotzt mir vor die Füsse. Ja! Er kotzt mir völlig unvermittelt vor die Füsse. Ich bin genauso überrascht wie du. Sitze starr da. Kann es nicht fassen. Die Tür öffnet sich. Der Bus ist in der Haltebucht. Der Junge rennt raus. Kotzt nochmals. Diesmal in die Hecken.
Da habe ich es verpasst. "das Bild!" Und es wäre so einfach gewesen. Nur abdrücken. Die Kamera war schussbereit. Serie, 7 Bilder, 4 pro Sekunde. Was für eine Serie. Kotzender Junge im Bus. Und ich? Total perplex. Hier stinkts! Ich setze mich nach vorn. Der Busfahrer bemerkt nichts. Die anderen Fahrgäste äußern sich nicht. Ertragen den Gestank. Und ich? Ich habe eben "Das Bild" überhaupt — verpasst.

Der Artikel, den ich gerade bei Telepolis gelesen habe:
"Leben am Türspion" beschreibt den einen Teil meiner weiteren Gedanken.
Sehr treffend!
Gute Nacht!

... comment